von Frieder Jentsch, Chemnitz
Vortrag zur 4. Arbeitstagung Netzwerk „Steine in der Stadt"
Dresden, am 3. April 2009
Chemnitz – in Sachen Naturstein eine Besonderheit
Seit Stadtgründung bis 1990 wurden mehr als 50 verschiedene Gesteinsarten in der Stadt von vorwiegend nahegelegenen Vorkommen steinsichtig verbaut.
Diese Situation wurde als städtebauliche Besonderheit erkannt und mit dem Wort "steinbunt" belegt.
Wünschenswert wurde eine systematische Erfassung dieses Bestandes.
Chemnitz, Neues Rathaus. Wandverkleidungên von Treuchtlinger Kalkstein, Türeinfassungen von Adneter Kalkstein und Fußbodenplatten im aus Solnhofner Plattenkalk
Beweggründe zur Erfassung
Denkmalschutz: Sicherung nicht wiederbeschaffbarer Gesteine von Abrisshäusern
Bildung: Erweiterung des Lehrstoffs für Schüler und Studenten auf dem Gebiet der Petrografie
Tourismus: Einbeziehung der Erkenntnisse über Gesteine in Stadtführungen, Vorträge u.a.m.
Chemnitz, Adelsberger Straße 204. Türstock mit Zahnschnitt aus Zeisigwalder Porphyrtuff
Ein neuer Begriff: "Gesteinskataster"
"Kataster" ist dem mittellateinischen "capitastrum" - Kopfsteuerverzeichnis - entlehnt und steht heute für räumlich und kartografisch darstellbare Sachverhalte.
Beispiele hierfür sind der Liegenschaftskataster bei der Grundstücksverwaltung oder im Umweltschutz bestimmte kartografische Darstellungen von Belastungen in definierten Untersuchungsgebieten.
Ein Gesteinskataster ist demnach die Erfassung, Registratur und kartografische Darstellung des Einsatzes von Naturwerksteinen in einem definierten Gebiet.
Chemnitz, Annaberger Straße. Ufermauer an der Chemnitz aus Granit von Mittweida
Gesammelte Erfahrungen
Es ist möglich, eine solche Arbeit auch mit Nichtgeologen auszuführen.
Wichtig ist der Abbau einer Schwellenangst bei der Gesteinsansprache.
Ein sachkundiger Mitarbeiter sollte die Arbeiten ständig begleiten.
Chemnitz, Annenstraße. Zeisigwalder Porpyrtuff als Verkleidung von neoklassizistischen Nachkriegsbauten
Drei methodische Grundsätze
Die Erarbeitung muss einfach, überschaubar und handhabbar sein.
Einfache Regularien sind für einen unproblematischen Zugang zu den Daten für die Bearbeiter selbst, die Weiterbearbeiter und Nutzer sinnvoll.
Eine Ferndiagnose der Gesteine ist problematisch.
Bahrebachviadukt an der A4. Chloritschiefer von Dittersdorf bei Chemnitz, unterbrochen durch Lagen von Elbsandstein, Typ Posta
Mögliche Schritte
Projektantrag
Suche nach einem Träger der Maßnahme
Arbeitsgrundlagen
Suche nach geeigneten Mitarbeitern
Datenerfassung vor Ort
Erstellung von Bild- und Textdatenbanken
Findhilfsmittel und Begleitbericht
Chemnitz, Annaberger Stra6e 86. Wandverkleidung mit gestaltetem Theumaer Fruchtschiefer an ehemaligem Kaufhaus
Der Projektantrag
Bezeichnung des Projekts
Beschreibung der Aufgabe und des Zieles
Einmaligkeit und Abgrenzung zu anderen Vorhaben
Gemeinnützigkeit bei geförderten Projekten
Personelle Besetzung
Sachmittelbedarf
Dauer der Maßnahme
Mögliche Träger und Kontakte
Das Konzept sollte unbedingt auf den Adressaten zugeschnitten sein.
Chemnitz, Brückenstraße. Ehemaliges Kaufhaus Schocken. Travertinplatten als Verkleidung und Gestaltungselement der Geschossflächen
Suche nach einem Träger der Maßnahme
Der erste Arbeitsmarkt ist wenig erfolgsversprechend.
Fördergesellschaften sind aussichtsreicher, da dort auch außergewöhnliche Projekte mit inhaltlichem Anspruch gesucht sind.
Gemeinnützigkeit und keine Beeinträchtigung des ersten Arbeitsmarktes sind Bedingung.
Die Agentur für Arbeit sollte Gesprächspartner sein.
Der Begriff "Gesteinskataster" war hilfreich.
Chemnitz, Barbarossastraße 25. Zeisigwalder Porphyrtuff als Fensterrahmung und glasierte Ziegel als Bauschmuck
Auswahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Kriterien:
Fahrerlaubnis
Computerkenntnisse
Naturverbundenheit
"Normale" Gesundheit
Chemnitz, Lutherkirche an der Zschopauer Straße. Muschelkalkverkleidung und Elbsandstein als Bauschmuck und Rahmungen
Arbeitsgrundlagen
Wichtige Voraussetzungen zur Arbeit sind Arbeitshilfen
Formblätter sowie Vergleichsbilder zu Gesteinsstrukturen und Bauteilen
Erforderliche Werkzeuge sind:
1-2 Computer, Fotoapparat, Lupe, Fernglas, geeignete Schreibhilfen, Schutz für Personen und Technik, erforderlichenfalls PKW
Datenerfassung vor Ort
Fotografische Dokumentation
Mehrere Aufnahmen mit verschiedenen Blenden
Möglichst großer optischer Zoom
Schriftliche Aufzeichnungen Originaldokumentation grundsätzlich handschriftlich Verwendung selbstgewählter Abkürzungen
Tagesablauf Gliederung nach praktischen Erwägungen
Chemnitz, Theaterplatz mit Opernhaus. Sandsteinverkleidung vom Typ Posta, Platten von grobkörnig-porphyrischen Edinger Granit, Kleinpflaster von Mikrodiabas der Lausitz
Erstellung von Bild- und Textdatenbanken
Verwendung herkömmlicher Programme (WINDOWS, WORD und ggf. eines Bildbearbeitungsprogramms
Ortsbezeichnungen als Ordnungsprinzip für die Objekte, meist die postalische Adresse, die in Bild- und Textdatenbanken gleichlautend sein sollten
Ständige Vervollkommnung der Bearbeitungsmethodik (Einordnung neu angetroffener Gesteine, Neusortierungen, Änderungen von Abkürzungen u.a.m.)
Auszug aus der Textdatenbank
Findhilfsmittel und Begleitbericht
Findhilfsmittel können sein:
eine Liste der Gesteine einschließlich deren Kürzel
eine Liste weiterer Kürzel (Architekturelemente u.a.m.)
Der Begleitbericht sollte kurz und ergebnisorientiert abgefasst sein, um dem sich verantwortlich fühlenden Leser nicht nur die reizvolle Schönheit der Gesteinswelt darzustellen, sondern ihn auch zum Ausbau und der Fortführung eines solchen Projektes anzuregen.
Chemnitz, Turnstraße 20. Reliefbild aus Kunststein mit Motiven des Maschinenbaus, Kämpfer und Schlussstein Elbsandstein
In Chemnitz bis 1990 verbaute Natursteine
Granite: Aue, Blauenthal, Eibenstock, Flossenbürg, Greifensteine, Kirchberg, Meißen, Mittweida, Niederbobritzsch * Granitgneise: Glösa, Wittgensdorf * Granodiorite: Demitz-Thumitz, Kamenz * Pyroxengranitporphyr : Beucha * Granulite: Garnsdorf, Hartmannsdorf, Wittgensdorf * Quarzporphyre: Altendorf, Dornreichenbach, Euba, Flöha, Furth, Löbejün, Wüstenbrand * Porphyrtuffe: Chemnitz-Zeisigwald, Kapellenberg, "Kristalltuff", Leukersdorf, Rochlitz * Diabase: Hartenstein, Hausdorf, Ebersbach, Sora * Diabastuff: Vogtland * Sandstein: Chemnitz-Markersdorf, Cotta, Maingebiet, Posta, Reinhardsdorf * Konglomerate: Wüstenbrand * Kalksteine: Adnet, Kapfenberg, Treuchtlingen, Solnhofen, Saalfeld, Untersberg * Marmore: Italien * Muschelkalk: Thüringen, Franken * Travertin: Thüringen, Italien * Graugneise: Mittleres Erzgebirge * Augengneis: Erzgebirge, Rabenstein * Tonschiefer: Chemnitz, Thüringen * Phyllite: Adelsberg, Röhrsdorf * Glimmerschiefer: Dittersdorf, Wittgensdorf * Chloritschiefer: Harthau, Dittersdorf * Amphibolit: Dittersdorf, Draisdorf * Fruchtschiefer: Rabenstein, Röhrsdorf, Theuma * Serpentinit: Herrenhaide, Hohenstein-Ernstthal, Zöblitz * Suevit: Nördlinger Ries
Ausblick
Die Erfassung von steinsichtigen Teilen an Bauwerken und die sinnvolle Einbeziehung in die Vielfalt des Marketings einer Kommune sind erstrebenswerte Ziele.
Kommunale Verwaltungen und Unternehmen sollten in diese Richtung aktiv werden und die erforderliche Unterstützung durch die "Stein-Fachleute" erhalten.
Bisher erfolgreich durchgeführte Projekttage und Lehrerweiterbildungen zum Thema "Steine in der Stadt" und ähnlichgeartete Aktivitäten sowie auch die touristische Vermarktung der Stadt Chemnitz als "steinbunte Stadt" sind ausbaufähig.
Chemnitz, Altes Rathaus. Judith-Lucretia-Portal. Zeisigwalder Porphyrtuff mit Ausbesserungen und Restaurierungen aus Elbsandstein, Typ Cotta