Einer guten Tradition folgend, in der Petrologie aussagefähige muttersprachliche Wörter als Begriffe für unverwechselbare natürliche Erscheinungen und Vorgänge zu verwenden, soll hier der Begriff "Auszutschung" ins Leben gerufen werden. Unter "Zutschen" versteht man in der deutschen Sprache "hörbar saugend trinken; lutschen..."[13]. Als Kern in der Aussage steht die Schaffung von Unterdruck in einem System, das nach Ausgleich strebt und auf diesem Wege verändernde Stoffbewegungen bewirkt. Der bei der Entstehung von Rhyolithkugeln, Absonderungsspalten und Brekziierungsbereichen auftretende relative Unterdruck ist der Auslöser dafür, dass die durch Stoffverschiebungen entstandenen Mobilisate abgezogen, ja ausgezutscht werden.
In der hochviskosen Schmelze müssen enorme Spannungen herrschen und in den entstehenden Hohlräumen muss Unterdruck vorliegen, solange nicht eine das Gestein durchschlagende Absonderungsklüftung Entspannung bewirkt. Dieser Vorgang dürfte weder kurzzeitig und schlagartig noch streng statistisch über einen gewissen Zeitraum geschehen. Eher ist ein mehrfacher trommelfeuerartiger Verlauf denkbar, der in Teilbereichen gleicher Schmelzenkonstitution einsetzt und durch mechanische Einflüsse wie beispielsweise vulkanotektonische Bewegungen ausgelöst wird.
Einordnung der Auszutschung in den Veränderungsprozess rhyolithischer Schmelzen
Es entsteht ein Zustand, bei dem einerseits eine kristallisierende und sich verdichtende Schmelze vorliegt, andererseits dazu wasserglasähnliche Mobilisate entstehen, in denen Aluminium und Erdalkalien und situationsbedingt auch weitere Lösungsgenossen zugegen sein können.
In einem Suspensionsstadium dürften wegen ihrer geringen Migrierfreudigkeit das Aluminium, die Erdalkalien und das Kalium zu einem großen Teil schon bald in Schichtgittersilikate abgebunden werden und als Feststoffkomponenten in den nunmehr als Suspension vorliegenden Mobilisaten vertreten sein.
Graugrüner Jaspis mit Schichtsilikaten (Suspensionsstadium) und rotem Achat (Läuterungsstadium) aus Rhyolithkugel.
St. Egidien, MfNC Inv.-Nr. M12026, Bildbreite ca. 3 cm
Der gesamte Vulkanitkörper mit seiner temperaturgradientbedingten Verschweißungszonalität ist vergleichbar mit einer Herdplatte und darauf backendem Kuchen. Festwerdende, sich mäßig bis stark verschweißende Bereiche bleiben länger im höheren Temperaturbereich (Herdplatte), lockere, wenig oder nicht verschweißende Bereiche erstarren zwar schneller, verbleiben aber ebenso unter längerer Temperatureinwirkung. Ihr lockerer Zustand ist zudem noch prädestiniert für die Aufnahme von Wasser, das aus unterschiedlichen Quellen stammen kann (Kuchen). In gewisser Weise kann man sich so auch die Ausbildung einer kugelführenden Randfazies vorstellen, die bei thüringischen Laven nachgewiesen wurde [14].
Brekziöser bis konglomeratartiger Jaspis aus unbekannter Struktur. St. Egidien. Stückbreite 40 cm
Das fortwährende Aufreißen der Hohlräume in der erstarrenden Schmelze ist Bedingung für die Auszutschung. Das darüber lagernde vulkanische Lockermaterial von unverschweißter, glasiger vulkanischer Asche verfestigt sich. Wie auf einer Herdplatte gewärmt, wird die unverfestigte Asche durch die Gegenwart von Wasser gelöst und in die wasserglasähnlichen Mobilisate unter gleichzeitiger Bildung von Schichtgittersilikaten als Suspensionsbestandteil (Glimmer, Montmorillonit und Chlorit) umgebildet.
Rhyolithkugel mit durchschlagendem ausgezutschtem Jaspis verschiedener Generationen. St. Egidien.
Breite des Bildes ca. 10 cm
Die Mobilisate entstehen also je nach Angebot von Wasser sowohl in der "Platte" als auch im "Kuchen". Der Druckausgleich durch aufreißende Hohlräume bewirkt ihren Transport. Auch die lockereren Teile sind mittlerweile so verfestigt, dass sie trotz verringerter Verschweißungsintensität auch Hohlräume ausbilden können und damit der Verdichtungsprozess im Feststoffbereich fortschreitet.
Mit dem entstehenden Unterdruck werden die vulkanischen Produkte regelrecht ausgezutscht, wobei unter maßgeblicher Beteiligung des Natriums als Alkalinitätsspender der Prozess der Mobilisatbildung zudem noch gefördert wird.
Die Grenze zwischen den festen und lockeren Teilen von Ignimbriten ist erfahrungsgemäß scharf. Auch die Bedingungen zur Wasseraufnahme sind in beiden Gesteinstypen unterschiedlich. Die stark verschweißten Gesteinsteile sind wenig oder gar nicht aufnahmefähig, die lockeren dagegen können regelrecht durchnäßt werden. Höhere Temperaturen im Hydrothermalbereich und eine natriumbetonte Alkalinität sind der Bildung von Montmorillonit und Kieselsäure förderlich. Mehr oder weniger stehendes Wasser verhindert, dass die Erdalkalien und das Aluminium ausgespült werden können.
Soweit es die Wegbarkeit zulässt, werden mit dem salvenartigen und diskontinuierlich ablaufenden Aufreißen der Hohlräume die bereits gebildeten Mobilisate mit den darin schwimmenden Schichtgittermineralen verfrachtet. Sind sie bereits teilweise verfestigt, entstehen je nach Grad der Verfestigung konglomerat- und brekzienartige Strukturen, indem die Mobilisate in andere Freiräume "gezutscht" werden. Dies geschieht über ausreichend weite Klüfte und Spalten, die einen Transport der Schichtgitterminerale ermöglichen. Bei diesen Bildungen handelt es sich um graugrüne oder rotbraun gefärbte Jaspise, die in unterschiedlicher Konzentration eben Alumosilikate als Mg-, Ca-, K- und Al-Träger enthalten.
Kommen diese Suspensionen mit den Alumosilikaten zum endgültigen Stillstand, bilden sich Sedimentgesteinen ähnliche Strukturen, die ihrem Erscheinungsbild nach aus Tuffpartikeln bestehen [15]. Im Zuge ihrer Verfestigung entstehen Schwundrisse, wie wir sie bei einem austrocknenden Pudding oder überhaupt als Trockenrisse kennen. Dieser Vorgang kann bedingt durch die diskontinuierliche Auszutschung mehrphasig sein, indem mehrere Generationen Mobilisat in den Hohlraum gelangen und nacheinander verfestigen. Hier dürften die Vorgänge, wie sie beispielsweise bei der Vakuumtrocknung in der Technik angewandt werden, in natura nachvollziehbar sein.
Rhyolithkugel mit drei Jaspisgenerationen, deren Verfestigung zeitlich versetzt verlief. Die zweite zeigt Schrägschichtung (helles Stück Jaspis). St. Egidien, MfNC, ohne Inv.-Nr.
Die Frage nach der unmittelbaren Aufeinanderfolge von Hohlraumbildung, Entstehung der Mobilisate und dem Prozess der Auszutschung kann nach vorliegendem Befund bejaht werden, wenn auch durch die Diskontinuität der unterschiedlichen Prozesse in Raum und Zeit mannigfaltige Ausbildungsformen gegeben sind. An folgenden Erscheinungen wird die Aussage deutlich:
An mehreren Rhyolithkugeln mit teilweise oder gänzlich aus Suspension enstandenen Füllungen konnten der sedimentären Kreuzschichtung gleichende Strukturen festgestellt werden. An anderen war eine randliche Schrägschichtung wahrnehmbar, die auf ein stufenweises Aufplatzen und auf eine damit verbundene zeitgleiche Hohlraumvergrößerung hinweist.
Graugrüner Jaspis aus Rhyolithkugel, durch Trockenrisse geteilt und mit Schrägschichtung ausgestattet. St. Egidien,
MfNC, ohne Inv.-Nr.
Wo die Hohlräume nicht durch angemessen weite Klüfte mit den Mobilisaten gefüllt werden konnten, beschränkte sich die Auszutschung auf Teilchen in Größen, die entlang der Inhomogenitätsflächen der ignimbritischen Lavafetzen oder über Haarrisse migrieren konnten. Hier fehlen die Schichtgitterminerale und es kommt nur zur Quarzmineralisation. Zahlreiche Rhyolithkugeln belegen das Phänomen der Wegsamkeit, indem die der Pseudofluidaltextur des Vulkanits weitgehend folgenden linsenförmigen Hohlräume eben die graugrünen und roten "Jaspise" beherbergen, die sternförmigen dagegen oft den begehrten Achat. Die Pseudofluidaltextur ist bekanntermaßen prädestiniert zur Teilbarkeit und führt vielerorts zu einer plattigen Absonderung einschließlich zur Wegsamkeit der Suspensionen. Diese gewissermaßen geläuterten oder ausgefilterten Mobilisate kennzeichnen ein Läuterungsstadium.
Je nachdem wie die Wegsamkeit in dem aufplatzenden Ignimbrit gegeben ist, zieht es die gelartigen Mobilisate mit oder ohne Feststoffanteil an Alumosilikaten dem Druckgefälle entsprechend in ständig neu entstehende Hohlräume. Analoge Sedimentstrukturen lassen sich ebenso in Absonderungsspalten finden, wenngleich nicht selten eine senkrecht stehende "Schichtung" aufgrund der mehrphasig ruckartigen Bildung der Absatzräume im Zuge der Platznahme des Ignimbrits zu beobachten ist (Dykes).
Besondere Aufmerksamkeit ziehen Bildungen auf sich, die unter der Bezeichnung "Achatsuppe" bekannt wurden. Amöboid geformte Achatsubstanz bis zu mehreren Millimetern Größe wird von Tonmineralen umschlossen. Insgesamt erinnern diese Bildungen an Strukturen, wie sie in Emulsionen gegeben sind und auf eine rasche Verfestigung der Masse hinweisen. Interessant dabei ist der zu beobachtende fließende Übergang zwischen "Suppe" und größeren, zusammenhängenden Achatkörpern. Als gegeben kann man eine weitgehend syngenetische Entstehung beider Erscheinungsformen des Achates annehmen. Diese Zustände sollen hier als Emulsionsstadium bezeichnet werden.
"Achatsuppe" mit fließendem Übergang in einen größeren Achat-Entmischungskörper.
(Emulsions- und Läuterungsstadium). St. Egidien, MfNC Inv.-Nr. M12957, Bildbreite ca. 6 cm
Ein Zusammenhang zwischen der Achatsuppe und den alumosilikatführenden Jaspisen besteht insofern, als in beiden Fällen nicht nur Kieselsäure zur Ablagerung kam, sondern eine Palette weiterer Oxide, die neben Quarzmineralen auch zur Bildung von verschiedenen Silikaten führten. So läßt sich die Entstehung der Achatsuppe auch als eine Form der Auszutschung von Mobilisaten erklären. Unterschiede in den Rahmenbedingungen jedoch, wie bei den Jaspisen einsetzender Unterdruck und Transport der Mobilisate oder bei der "Suppe" der Einschluss der Mobilisate und deren abgeschlossene Fixierung am Ort ihrer Generierung können benannt werden.
Rhyolith-"Schwarte" mit Kugelbildung (links) und Mobilisat des Suspensionsstadiums (grün). Augustusburg.
Breite des Bildes ca. 15 cm.